Manga zeichnen lernen: Zeichnen mit Tusche - Schraffuren und Strukturen

Schraffuren sind ein wunderbares Mittel, um Schwarz-Weiß-Zeichnungen Leben und Persönlichkeit einzuhauchen. Mit der richtigen Technik kann dabei auch kaum noch was schiefgehen. Mangaka Melanie Schober zeigt Dir, wie Du ohne Missgeschicke richtig schraffierst. 

 

Hilfe, das wird alles total unsauber! =(

Stell Dir beim Schraffieren folgendes vor: Dein Arm ist gar kein Menschenarm, sondern ein Roboterarm, der aus dem Ellenbogengelenk heraus kurze, parallele Linien zieht. Und während er mechanisch eine Linie nach der anderen zieht, bewegt sich Dein Roboterarm gleichmäßig voran. So in etwa sieht meine Technik aus, um gleichmäßig sauber schraffierte Flächen zu erzeugen. Natürlich braucht es dafür ein bisschen Übung und die richtige Feder (ich arbeite mit dem Maru-Pen für extra feine Schraffuren, Du kannst aber auch mit jeder anderen Feder schraffieren, wenn Du kräftigere Linien bevorzugst.)

Welche Schraffurarten gibt es?

Kurz gesagt: Unendlich viele! Theoretisch kannst Du sogar auf der Basis winzig klein gezeichneter Pentagramme ein Schraffurmuster aufbauen. Aber das wäre ziemlich mühsam. XD
Die gängigsten Schraffurarten und wo man sie am besten einsetzt, möchte ich nun vorstellen!

 

1. Einfache Schraffur

Die einfache Schraffur besteht im Grunde nur aus einer Lage gerader, parallel gezogener Linien. Du kannst auf diese Weise glatte Flächen schraffieren, z.B. um Rasterfolie zu ersetzen, oder einen Verlauf erzeugen, indem Du die Linien an den dunklen Stellen dichter setzt und dann die Abstände langsam größer werden lässt. Achtung: Versuch allzu lange Striche zu vermeiden! Das sieht unsauber aus! 
Mögliche Einsatzbereiche: Praktisch überall!

Manga zeichnen lernen Schraffuren 1
Manga zeichnen lernen Schraffuren 2

2. Kreuzschraffur (30° versetzt)

Dies ist die wahrscheinlich gängigste Schraffurart im Manga. Hierbei beginnt man gleich, wie bei der einfachen Schraffur, legt aber eine weitere Schicht an Linien über die erste - und zwar um ca. 30° versetzt. Das hat den Vorteil, dass man etwas mehr Ruhe ins Gesamtbild bringt und die Schraffur weniger „strichelig“ ausfällt. Sie wirkt nun viel mehr wie eine nicht ablenkende, in den Hintergrund tretende Fläche. Außerdem kann man beim Auftragen der zweiten, um 30° versetzten Schicht evtl. entstandene „Löcher“ stopfen. >:3 
Mögliche Einsatzbereiche: Überall!

Manga zeichnen lernen Schraffuren 3

3. Kreuzschraffur (90° versetzt)

Bei dieser Schraffur-Art versetzt man die zweite Schicht um ganze 90°, sodass eine Art Kreuzmuster entsteht. Diese Schraffur wirkt eher grob und tritt wieder mehr als „strichelig“ in den Vordergrund, dafür aber ist sie gut geeignet, um eben bewusst grobe Strukturen darzustellen, wie Leinenstoff, oder geflochtene Körbe. 

Manga zeichnen lernen Schraffuren 4

Es gibt aber noch einen weiteren Einsatzbereich! Und zwar kann man mit einer Kreuzschraffur, die der Perspektive eines Raums folgt, gut Tiefe und Textur betonen, indem man über Kreuz schraffierte Ecken und Kanten ins Bild einarbeitet. Hier ein Beispiel dafür (achte auch auf die feinen Strukturlinien und die Schwarzflächen, die das Bild gleich spannender und organischer wirken lassen). Diese Technik lässt sich problemlos auf komplexer gezeichnete Hintergründe übertragen und verhindert einen zu klinischen, glatten Look.

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4. Sternschraffur

Bei der Sternschraffur legt man total viele Schichten übereinander. Man beginnt mit einer gewöhnlichen, um 90° versetzten Kreuzschraffur und legt dann nochmal 2 weitere, jeweils um 45° versetzte Lagen, darüber. Dadurch entsteht ein interessantes Muster.
Der Nachteil: Diese Schraffur kann im Druck sehr dunkel wirken. Gut geeignet ist sie aber zum Beispiel, um Gefühle zu unterstreichen. Du kannst auch kreativ werden und wabernde Wolken damit darstellen. Was immer Dir einfällt: Durch das Muster wirkt es sehr dekorativ!

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Gefühle mit Schraffuren unterstreichen

Rasterfolie ist eine tolle Sache! Um ganz ehrlich zu sein: Im Grunde kann man die folgenden Effekte auch sehr schnell mit Rasterfolie erzeugen. Wozu also mühsam schraffieren? Das Zauberwort lautet: Persönlichkeit! Jede*r Zeichner*in schraffiert anders. Manche wilder und grober, andere wieder fein und gleichmäßig. Schraffuren transportieren besser Persönlichkeit und einen bestimmten Look, als vorgefertigte Rasterfolie. Und so lohnt es sich - zumindest ab und zu - etwas Zeit in gute, alte Handarbeit zu investieren. 

Auf dem folgenden Bild siehst Du drei Techniken, um mit Schraffuren Gefühle zu unterstreichen. 

Auf Bild Nr. 1 habe ich den Sternschraffurverlauf eingesetzt, wodurch eine leicht bedrückte Stimmung entsteht. Man kann diesen Verlauf aber auch dazu nutzen, um Dunkelheit im Raum darzustellen, ohne alles mit steriler Rasterfolie zuzukleistern. Geheimtipp: Den Verlauf einmal schraffieren, einscannen und später immer wieder digital einsetzen. :) Das ist dann wie selbstgemachte Rasterfolie mit Persönlichkeit!

Auf Bild Nr. 2 folgt die Schraffur unsichtbaren Hilfslinien, die alle auf das gebrochene Herz zulaufen. Auch bei Actionszenen lohnt es sich, anstatt glatter Schwarzflächen auf Schraffuren zu setzen, die der Bewegungsrichtung folgen. Das bringt Schwung ins Bild!

Auf Bild Nr. 3 habe ich im Grunde das selbe gemacht, wie auf Bild 2. Die schraffierten Punkte im Hintergrund folgen unsichtbaren Fokuslinien. Nur entsteht durch die weit auseinander liegenden, sehr kurzen Striche, ein sanfter, strahlender, glücklicher Effekt. =)

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Komplexe Strukturen meistern

Wenn Du erst mal ein Gefühl für einfache Verläufe und glatte Flächen entwickelt hast, kannst Du Dir an den nächsten Schritt heran wagen: Die erlernten Techniken dazu zu nutzen, um komplexere Objekte, Pflanzen oder Texturen mithilfe von Schraffuren dreidimensionaler erscheinen zu lassen! Dafür musst Du Dich eigentlich nur konzentrieren und zwei Dinge fragen: Welche Form und Oberfläche hat das Objekt, wie kann ich diese Form mithilfe von feinen Linien betonen und wo befindet sich die Lichtquelle?

Hier siehst Du eine bösartig brennende Sonne, die eine Kugel beleuchtet, die eher einem Knödel gleicht, da ich zu faul war, um einen Zirkel zu benutzen! XD Die Linien folgen der Form der Kugel und berücksichtigen dabei den Einfall des Lichts. Als Übung könntest Du Dir vielleicht vorstellen, wie es wäre, wenn diese Kugel aus grobem Stein wäre und wie man diesen Stein darstellen könnte? Und wie würde die Kugel aussehen, wenn sie aus Holz wäre? Werde kreativ!

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Apropos Holz!
Ich habe versucht, für Dich ein Stück Baum zu zeichnen. Für die schwarzen Schatten habe ich einen nachfüllbaren Pinselstift von Pentel verwendet, den ich nur wärmstens weiterempfehlen kann (Schwarzflächen gehen damit super schnell und präzise von der Hand. Ich liebe ihn!).

Begonnen habe ich mit einer sehr groben Vorzeichnung des Stammes und der Position der Aststruktur! Ich habe festgestellt, dass besonders Naturzeichnungen besser und lebendiger werden, wenn man die Formen nicht allzu genau vorzeichnet und sich mehr auf sein Gefühl beim Schraffieren verlässt. Wichtig ist auch, dass man zwar dem Verlauf des Lichts folgt, aber nicht zuuu gleichmäßig, da der Stamm sonst mehr einem Metallrohr gleicht! Ein Baumstamm hat kleine Unebenheiten, Rillen und Vertiefungen. Versuch das mit feinen, ungleichmäßigen Linien zu betonen. Es gibt hier auch keine wirklichen Regeln. Folg Deinem Gefühl und entwickle Deine eigene Technik!

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Zum Schluss habe ich noch etwas für Dich, was auch für mich immer noch eine Herausforderung darstellt: Steine/Geröll zeichnen! Dabei stellt man sich das Gestein grob als Quader vor, die übereinander geschichtet auf der Erde liegen. Nur, dass es sich nicht wirklich um Quader handelt, sondern um viele kleine, zackige, poröse Einzelteile. Aber das Bild des Quaders hilft, um die schwarzen Schatten zu setzen und danach die Schraffuren, entsprechend dem Lichteinfall hinzuzufügen. Indem Du Dir beim Zeichnen immer die zugrunde liegende, einfachste Form vorstellst, behältst Du den Überblick und verlierst Dich nicht sofort in Details!

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Ich wünsche Dir viel Spaß beim Experimentieren und üben! Im dritten und letzten Teil dieses Tutorials lernen wir, wie man komplette Charaktere/Illustrationen tuscht und wie wichtig der passende Inking-Stil für den Gesamteindruck eines Werks ist! 

Autorin dieses Artikels:

Melanie Schober, geboren am 23.3.1985 im idyllischen Saalfelden (Österreich) zeichnet seit frühester Kindheit mit Begeisterung Comics und Comic-Figuren. Im zarten Alter von dreizehn Jahren wurde sie mit dem »Sailormoon-Virus« infiziert und widmet sich seither der japanischen Mangakunst.

Bei uns im Verlag sind von ihr erschienen:

  • SKULL PARTY
  • PERSONAL PARADISE