Hier beschäftigen wir uns mit einem der charmantesten Bereiche des Manga-Stils: Dem Zeichnen von Chibis! Chibi ist das japanische Wort für „klein“ und genau darum geht es. Wir verkleinern bzw. verniedlichen eine Figur, bis sie aussieht wie ein knuffiger Teddy. Wenn der Betrachter „Aww~“ sagt, habt ihr alles richtig gemacht. Nun zum Vorgehen:
Kopf und Körper
Obwohl Chibis auf den ersten Blick recht unkompliziert erscheinen, gibt es doch einige Dinge zu beachten. Reden wir als erstes über die Proportionen:

Ein Chibi lebt von seinem, im Verhältnis zum Körper, sehr großen Kopf. Was das genaue Verhältnis Kopf-Körper angeht, seid ihr mit dieser einfachen Faustregel auf der sicheren Seite: Kopf und Körper sollten in etwa gleich groß sein. Damit stellt ihr eine gewisse Grundniedlichkeit her, ohne euch schon über Haare oder Kleidung Gedanken machen zu müssen. Außerdem sind zwei Kreise schnell gezeichnet!
Ich zeichne meine Chibis meist mit einem Kugelbauch und sehr kleinen Händen und Füßen. Ich denke dabei immer an eine weiche Stoffpuppe und versuche, auch meine Linien weich fließen zu lassen. Seid ihr zufrieden mit eurem gezeichneten Körper, geht es ans Ankleiden:

Hier zwei Chibis auf Grundlage der selben Ausgangsform. Doch einer davon wirkt niedlicher, als der andere, oder?
Was ist eigentlich „süß“?
Niedlichkeit könnt ihr nicht nur durch kindliche Proportionen erreichen, auch Haare und Kleidung können entscheidend zum Charme eines Charakters beitragen! Hier ein paar Beispiele für allgemein „niedliche“ Dinge:
- Glänzende, große Augen, Stubsnasen
- Zöpfe, besonders hohe
- Schleifen
- Übertrieben große Accessoires, hier z.B. die Sternenhaarspange
Natürlich ist vieles auch von eurem eigenen Geschmack abhängig! Kleine spitze Eckzähnchen und ein Nietengürtel können ebenfalls super süß an einem Chibi aussehen. Eurer Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Tobt euch aus!
Die Sache mit der Silhouette
Da ein Chibi mit sehr stark verkürzten Proportionen arbeitet, habt ihr nicht so viel Platz, wirklich individuell zu arbeiten. Umso wichtiger ist eine Silhouette, also ein Umriss, mit hohem Wiedererkennungswert. Das gilt übrigens auch für normale Mangafiguren! Unten im Bild habe ich die Figuren mal auf ihre Umrisse reduziert. Unser Rattenschwanzmädchen hat einen interessanteren „Schatten“ und damit einen höheren Wiedererkennungswert:

Die Schönheit der Linie
Nicht nur Kleidung und Haare tragen zur Ausstrahlung eines Chibis bei. Wie bereits erwähnt kann auch die Linienführung selbst den Charme einer Figur beeinflussen:

Figur A ist eine Mischung aus runden und eckigen Linien. Figur B besteht vor allem aus eckigen Linien und „Zacken“. Figur C dagegen kommt sehr rund daher, da ich alle Bestandteile fließend und weich gezeichnet habe. Sie ist sehr stark stilisiert, aber auch echt knuffig (oder?).
Zuckerschock
Darf ein Chibi also nur aus Stubsnasen und Herzchen-Haarspangen bestehen? Natürlich nicht! Manchmal kann es sogar ganz reizvoll sein, etwas so komplett Süßes mit ein paar „herberen“ Merkmalen auszustatten. Kontraste bringen Leben in eine Figur, deshalb hier ein paar Möglichkeiten:

Figur A ist ein für mich typischer Chibi: Kugelbauch und Mini-Füße. Allerdings habe ich eine kleine Unperfektheit hinzugefügt: Ein Muttermal. Auch ihr abstehendes Haar lockert die Optik etwas auf.
Bei Figur B nutzte ich etwas, das normalerweise einen sehr krassen Einfluss auf die Ausstrahlung einer Figur hat: übertrieben viel Augenweiß bzw. sehr kleine Pupillen. Sowas benutzt man eigentlich nur bei irren, gefährlichen Charakteren, aber im Zusammenspiel mit den niedlichen Proportionen funktioniert es gerade so.
Figur C hat etwas größere Füße und Hände, außerdem habe ich Fingernägel eingezeichnet. Auch das nimmt etwas Niedlichkeit, macht den Chibi aber gleichzeitig realistischer und nahbarer.
Figur D hat einen dünneren Körper und hier wird es vielleicht schon heikel: Ist das noch niedlich? Oder ist der Bruch zu krass und die Harmonie des Bildes zerstört? Entscheidet selbst! Denn wie immer lautet auch hier die Devise: Alles Geschmackssache!

Damit wären wir am Ende dieses Tutorials angekommen. In Teil Zwei verrate ich noch einige coole Tricks, um einen Chibi wirklich unvergesslich zu machen. Außerdem beschäftigen wir uns mit einem weiteren wichtigen Thema: Der Kolorierung!
Bis bald!

Autorin dieses Artikels:
Inga Steinmetz lebt und arbeitet in Berlin; geboren wurde sie in der ehemaligen DDR. Zurzeit wohnt sie in der Nähe der East Side Gallery. Im Alter von 15 Jahren begann sie, zielgerichtet Geschichten zu schreiben und Comics zu zeichnen.