Michael Holtschulte

Darf man über den Tod lachen? Muss man sogar, meint Cartoonist Michael Holtschulte. 

Marc-Uwe Kling
Marc-Uwe Kling

Extrem witzig, immer wieder überraschend und wirklich clever. Nur den Cartoon auf Seite 70 habe ich nicht kapiert.

Marc-Uwe Kling über Tot aber lustig - Feierabend!
Portrait von Michael Holtschulte

Wer ist eigentlich Michael Holtschulte?

Michael Holtschulte, Jahrgang 1979, lebt und arbeitet als Cartoonist in Essen. Seine ersten Cartoon-Veröffentlichungen hatte er bereits im Alter von 15 Jahren in der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung. Zahlreiche Veröffentlichungen folgten, sodass er sich nach seinem Studium der Germanistik, Politikwissenschaft und Sozialpsychologie als Illustrator und Cartoonzeichner selbstständig machen konnte und damit seinen Traum lebt, wie er sagt. Heute zeichnet er für zahlreiche Zeitungen und Magazine (u.a. Süddeutsche Zeitung, WAZ, Eulenspiegel, Deadline, Return, Trailer) und veröffentlicht regelmäßig Bücher bei Lappan. 

Online ist Michael Holtschulte sehr aktiv und konnte sich in den sozialen Medien ein großes Publikum aufbauen. Allein bei Facebook folgen ihm über 350.000 Fans und erfreuen sich regelmäßig an seinen Cartoons. 
Er hat eine eigene Bühnenshow, tritt aber auch regelmäßig unter dem Titel „Zwei Stricher packen aus“ zusammen mit Oli Hilbring auf, mit dem er auch den gleichnamigen Podcast übers Cartoonzeichnen betreibt.

Auszeichungen:

2012 Publikumspreis des Deutschen Preises für die politische Karikatur

2014 Publikumspreis des Deutschen Karikaturenpreises

2022 Bürgerpreis der Stadt Herten für kulturelles Engagement

 

Mehr Infos gibt es auf www.totaberlustig.de 

13 Fragen von Martin Sonntag (Caricatura Galerie Kassel) an Michael Holtschulte

Du bist sehr umtriebig. Es scheint manchmal, als würde sich Dein Leben nur um Cartoons drehen. Womit beschäftigst Du Dich, wenn Du Dich ausnahmsweise mal nicht mit Cartoons beschäftigst – oder mit Serien oder mit Musik oder mit der Familie? 

Serien, Filme, Musik, Konsolenspiele … meine Interessen sind breit gefächert. Allerdings habe ich einen Hund und bin vor zwei Jahren Vater geworden, weshalb viele der Beschäftigungen zeitlich nicht mehr so ausgelebt werden können, wie es einmal war, als ich nur die Verantwortung für mich hatte. Insofern hat sich das Familienleben eindeutig in den Vordergrund geschoben. Unterm Strich kann man aber sagen, dass das natürlich auch alles in meine Cartoons einfließt. Irgendwo kommen immer die Ideen her.

Ist das Cartoonzeichnen für Dich eher ein Ventil, um selbst über den Irrsinn der Welt lachen zu können, oder ist es die klammheimliche Freude am „Ungehörigen“? 

Zuerst geht es mir darum, mir einen Witz auszudenken, den ich persönlich lustig finde. Wenn ich damit viele Menschen zum Lachen bringen kann, ist das Ganze rund. Da aber wirklich alles in meine Arbeit einfließt, schließe ich nicht aus, dass eine Menge Selbsttherapie und der persönliche Schalk im Nacken mit reinspielt. Allerdings hat der Irrsinn der Welt inzwischen solche Ausmaße angenommen, dass es teilweise schwer fällt, da noch einen draufzusetzen. 

Wer waren Deine Vorbilder, als Du mit Cartoons anfingst, und wer ist es heute? 

Frühstes Vorbild im Bereich der humoristischen Zeichnungen war André Franquin. Gerade seine schwarzen Gedanken hatten es mir sehr früh angetan und sprachen direkt meinen schwarzen Humor an. Als ich mich mehr mit dem Thema Cartoons auseinandersetzte, landete ich quasi zwangsläufig bei Martin Perscheids Abgründen.
Als ich dann selbst als Cartoonist immer mehr Fuß fasste, merkte ich, dass Vorbilder natürlich wichtig sind, man sich aber zugunsten der eigenen Entwicklung, in alle Richtungen öffnen muss. Was ich so an Einflüssen aufsauge, muss nicht ausschließlich von Witzbildzeichner:innen sein; Humor ist sehr vielseitig.

Martin Perscheid war ja nicht nur ein Vorbild, Ihr wart auch befreundet. Was für ein Projekt hättest Du noch am liebsten mit ihm zusammen gemacht?  

Das war verrückt und kaum zu fassen für mich. Martin war ein Vorbild und als ich ihn dann kennenlernte, wurde daraus eine Freundschaft. Was mich besonders berührte, war die Erkenntnis, dass er meine Cartoons auch gut fand. Das hat mich unglaublich motiviert. 

Wir haben einige gemeinsame Projekte auf die Beine gestellt. Zuletzt habe ich ja sogar sehr aktiv an seinem Deppen-Malbuch mitgearbeitet, weil es ihm zu dem Zeitpunkt schon nicht mehr so gut ging. Auch das berührte mich sehr. Das muss man sich mal vorstellen, dass er mir so viel Vertrauen schenkte, dass ich in seinem Sinne an den Cartoons mitzeichnen durfte.  

Aber die womöglich offenen Projekte oder gemeinsamen Arbeiten sind es gar nicht, die so fehlen. Nicht mehr die Möglichkeit zu haben, mal kurz anzurufen, sich auszutauschen, über Witze zu philosophieren, ist es, was immer wieder schmerzt.  

Du hast viele Fans, für die Du Dir auch viel Zeit bei Messen oder Conventions nimmst. Was war Dein schönstes Fan-Erlebnis? 
 
Es ist immer wieder surreal, wie viele Fans bei Signierterminen anstehen und sich über eine Signatur freuen. Das ist eigentlich jedes Mal schon ein Fan-Erlebnis, von dem ich zehren kann. Aber es gibt auch emotionale Highlights, wie zuletzt eine Frau, die anfing zu weinen, als sie mir gegenüberstand.. Sie war so gerührt und meinte, mein Humor habe ihr bei Krisen geholfen und es sei sehr wichtig, was ich mache. Da war ich dann gerührt. Aber nicht zu knapp.  

Dein neues Buch ist erschienen. Marc Uwe Kling versteht den Witz auf Seite 70 nicht. Ich verstehe schon den auf Seite 11 nicht. Sind wir zu alt oder zu doof?   
 
Weder noch! Humor funktioniert ja immer nur in der Schnittstelle gemeinsamen Vorwissens von Sender und Empfänger. Und wird ein Witz mal nicht verstanden, ist er für den Betrachter zu speziell oder setzt Vorwissen voraus, das nicht da ist. Das ist völlig normal und in den meisten Fällen kann man das ja aufklären und daraus ergibt sich ein AHA-Erlebnis, das vielleicht sogar mehr wirkt als der schnelle Lacher. In beiden erwähnten Fällen ist es wahrscheinlich so: Marc-Uwe kennt Oli Hilbring (noch) nicht und Du bist kein Katzenmensch. Das lässt sich aber demnächst mal aufklären. 

Michael Holtschulte Urheberportrait
Michael Holtschulte

Was ich so an Einflüssen aufsauge, muss nicht ausschließlich von Witzbildzeichner:innen sein; Humor ist sehr vielseitig.

In Deinem neuen Buch stehen neben allgemeinen Cartoons auch viele gesellschaftskritische/politische Cartoons. Was steht für Dich bei Deiner Arbeit im Vordergrund, der Spaß oder eine Botschaft?  
 
Wohl eher der Spaß. Ich möchte einen guten Witz machen. Unbewusst schließe ich nicht aus, dass sich daraus auch eine Botschaft ableiten lässt. Oft ist es ja auch die persönliche Haltung, die in zwangsläufig in diese Kunstform mit einfließt. Ich bekomme immer wieder auch Feedback, dass man etwas in die Cartoons hineininterpretieren kann, das ich gar nicht mitgedacht hatte. Im Idealfall wirkt das dann aus einem anderen Licht betrachtet auf einmal sehr schlau, manchmal komplett gegenteilig. Was ich aber grundsätzlich vermeide, ist ein erhobener Zeigefinger. Da sind wir aber wieder beim primären Ziel: Meine Cartoons sollen erst einmal zum Lachen bringen.  

Wenn sich eine Botschaft über Komik vermittelt, worauf würdest Du am liebsten mit Deinen Cartoons einwirken können?  
 
Es wäre sehr vermessen von mir zu glauben, dass man mit Cartoons einen derartigen Einfluss hat. Aber wenn das ginge: Frieden. Ja, Frieden würde ich mir sehr wünschen.   

Wie schätzt Du grundsätzlich die Möglichkeit ein, mit Cartoons gesellschaftlich und/oder politisch Einfluss nehmen zu können?  

Cartoons können auf humorvolle Art und Weise den Spiegel vorhalten. Inwieweit ein Denkprozess stattfindet, gar eine Änderung im Verhalten stattfindet … Ja, da sind wir wieder bei der Frage von vorhin. Was ich allerdings mit meiner Erfahrung in den sozialen Medien sagen kann: Cartoons und Witze können schnell triggern. Wenn da unterschiedliche Meinungen aufeinanderstoßen, kann das schon mal richtig abgehen. Aber Einfluss? Ich weiß es nicht. Diskussionen finden in der Öffentlichkeit heutzutage weniger statt, um Erkenntnis zu erlangen, sondern um sich seines eigenen Weltbildes zu vergewissern. 

Wo sind Deine persönliche Grenzen bzw. worüber willst Du keine Witze machen?  

Grundsätzlich sollte man mit Witzen nicht nach unten treten oder verletzen rein der Verletzung willen, also zum Selbstzweck. Das ist alles andere als feiner Humor. Darüber hinaus findet momentan eine gesellschaftliche Entwicklung statt, die auch vor dem Humor nicht haltmacht. Das fängt beim Sprachgebrauch an und geht eben auch bis zu Witzen. Man kann und sollte heute bestimmte Witze einfach nicht mehr machen. Stichworte wären da Ableismus, Klassismus, Bodyshaming, Sexismus, Rassismus etc. 
Da hat eine Entwicklung stattgefunden, die ich persönlich gut finde und ich versuche, mich diesbezüglich auch immer selbst in Frage zu stellen. Die Gesellschaft ist in einem stetigen Wandel und dem muss man als Cartoonist:in Rechnung tragen.  

Der Podcast „Zwei Stricher packen aus“, den Du zusammen mit Oli Hilbring machst, informiert recht unterhaltsam über die Cartoon-Szene. Ich finde, das ist ein lohnendes Format für eine TV-Show. Das ist zwar keine Frage, aber ich wollte sie trotzdem mal stellen.  
 
Danke. Wobei … Wer will unsere Radiogesichter schon sehen? 

Es gibt von Dir auch ein paar Gemälde in verschiedenen Größen. Wann kommt der große Holtschulte-Zyklus in Öl?  
 
Öl wird dauern. Ich glaube, diese Technik und ich werden so schnell keine Freunde. Momentan experimentiere ich mit Gouache, da wird es wahrscheinlicher vorzeigbare Bilder geben. Aber nagle mich jetzt nicht auf einen Zeitpunkt fest. Du weißt ja, Kind, Hund … 

Wenn Dein Leben eines Tages verfilmt würde, wer sollte (von unseren aktuellen Schauspielern) den jungen Holtschulte spielen und wer den reifen?   
 
Eindeutig Brad Pitt 😉  Aber ich versuche mich bei der Frage mal auf deutschsprachige Schauspieler zu konzentrieren. Schwierig … Bei dem jungen Holtschulte würde Julius Weckauf gut passen. Bei dem Gegenwarts- und Zukunfts-Holtschulte müsste ich passen. Vielleicht Henning Baum, weil ich den sehr cool finde und er auch ein Kind des Potts ist und aus meiner neuen Heimatstadt kommt.